„Wie ein Leben im Rollstuhl aussieht“

„Wie ein Leben im Rollstuhl aussieht“

Das brachte Jörg Holzem am Freitag, den 15. März 2019 den Kindern der 3b und 3c der Gutenberg-Schule in Dierdorf nahe.

Bei Baumfällarbeiten im Wald war der in der Eifel geborene und damals 24 jährige Jörg Holzem so stark verletzt worden, dass er unterhalb der Brustwirbelsäule querschnittsgelähmt blieb. Von da an war er auf den Rollstuhl angewiesen. Doch er gab nicht auf – im Gegenteil: Er wurde mit seinem Rollstuhl im Rugby ein großer Sportler, bereiste die ganze Welt und nahm u.a. an mehreren Weltmeisterschaften und zwei Paralympics sehr erfolgreich teil.

Heute, 22 Jahre nach dem Unfall, kann er aus gesundheitlichen Gründen seinen Sport nicht mehr so aktiv leben. Dafür widmet er sich einer anderen Aufgabe: In Kooperation mit dem Behinderten- und Rehabilitationssportverband Rheinland-Pfalz hat Jörg Holzem ein Programm ins Leben gerufen, das Kindern und Jugendlichen in Schulen vermittelt, wie der Alltag im Rollstuhl aussehen kann. Dabei geht es um einen Perspektivwechsel. Die Kinder sollen wahrnehmen, was ein Mensch empfindet, der auf den Rollstuhl angewiesen ist. Sie sollen sensibel werden für das Leben von Menschen  mit Beeinträchtigungen. Und gleichzeitig macht dieses Programm mit seinem sympathischen und lebensbejahenden Initiator Jörg Holzem im Mittelpunkt Mut, dass es auch nach einem solch schweren Schicksalsschlag gut weitergehen kann, wenn man sein Leben selbst aktiv in die Hand nimmt.

In einer Einführungsstunde erzählte Jörg Holzem von seinem Unfall und seinem Leben danach. Geduldig beantwortete er alle Fragen, die mit seiner Behinderung und mit seinem Leben als Querschnittsgelähmter zu tun hatten. Erstaunt stellten die Kinder fest, dass auch jemand, der in einem Rollstuhl sitzt, Vater sein kann, mit allen alltäglichen Aufgaben und Pflichten, die diese Rolle mit sich bringt, z.B. Einkaufen gehen oder Kinder zur Schule fahren müssen. Sie erfuhren, warum Behindertenparkplätze immer ganz nah an Haupteingängen und extra breit sein müssen, und wie rücksichtslos es ist, wenn Nichtbehinderte diese einfach benutzen. Danach zeigte Jörg Holzem den Kindern, wie er selbstständig in sein Auto ein- und aussteigt und welche besonderen Features dieses besitzt.

Die in einem Anhänger mitgebrachten Rollstühle wurden in der Turnhalle von den Kindern selbst zusammengebaut und dann konnten sie praktisch ausprobieren, wie man einen Rollstuhl lenkt und bremst, wie man damit einen Bordstein hochkommt und wie man mit dem Gefährt Ball spielen kann.

So geschickt wie der Profi-Sportler wurden sie in der kurzen Zeit natürlich nicht und manch ein Kind im Rollstuhl war auch frustriert, wenn ein Klassenkamerad auf zwei Beinen ihm den Ball vor der Nase wegschnappte oder wenn die Kraft in den Armen nachließ. Trotzdem hatten die Kinder auch sichtlich Freude an diesen neuen, sehr andersartigen Erfahrungen und zeigten sich im Anschluss deutlich verständnisvoller für die Umstände, mit denen Menschen im Rollstuhl leben.